Moderne Bildungspolitik jetzt: Frühkindliche Bildung für alle fördern! 1/2

RedenTorsten WolfBildung

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 6/640


Sehr geehrter Präsident, sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen, mit der Einbringung der Aktuellen Stunde zum Thema „Moderne Bildungspolitik jetzt: Frühkindliche Bildung für alle fördern!“ möchte meine Fraktion die aktuellen Herausforderungen einer gelingenden institutionalisierten frühkindlichen Bildung in den Blick nehmen. Kinder im Alter zwischen 0 und 6 Jahren sind in den letzten 20 Jahren zunehmend in den Blick der wissenschaftlichen und medialen Aufmerksamkeit geraten. Denn das, was Eltern und Erzieherinnen schon immer wussten, wurde durch Erziehungswissenschaftler und soziologische Studien untermauert: Auf den Anfang kommt es an! Friedrich August Wilhelm Fröbel schrieb einmal: „Bei der Erziehung muss man etwas aus den Menschen herausbringen und nicht in ihn hinein.“ Der Thüringer Bildungsplan 0 bis 10 ist geprägt von diesem kindorientierten, emanzipatorischen und partizipativen Ansatz Fröbels, nach dem in der gemeinschaftlichen Erlebniswelt Kinder sich in ihrer Welt entdecken und entwickeln können. Dabei stehen Bildungsprozesse in den jeweiligen Altersstufen und dem bedingenden sozialen, personellen, sächlichen Rahmen im Mittelpunkt. Die personellen und sächlichen Rahmen sind durch das Kitagesetz beschrieben und werden umgesetzt. Die im Kitagesetz festgeschriebenen Standards wurden unter Beteiligung der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Akteure nach kontroverser Auseinandersetzung mit der CDU-Familienpolitik gesetzt. Das Echo auf diese Familienpolitik war im Übrigen bis in die letzte Legislatur zu hören, als der frühere Finanzminister Dr. Voß eine Standardabsenkung im Bereich Personal vorantrieb, welche zum Ziel hatte, pädagogische Arbeit schrittweise zu entwerten und geringer zu entlohnen. Thüringen hat seitdem einen vorderen Platz in der Kitafinanzierung eingenommen. Seit 2009 wurden 2.600 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher eingestellt und wir sind alle gehalten, dies auch unter schwierigen Haushaltsbedingungen weiter fortzuschreiben.


Meine Kollegin Margit Jung hat in der Sendung „Fakt ist“ Vorschläge unterbreitet, die es zu diskutieren gilt. Nur wenn das vom Land für die frühkindliche Bildung zur Verfügung gestellte Geld in den Kitas und bei den Tagesmüttern und -vätern auch wirklich ankommt und nicht über die Schlüsselmasse in Haushalten und sonstigen Löchern in den Kommunen verschwindet, werden wir die hohen Thüringer Standards halten und zusätzliche Verbesserungen im System, ob über Gebührenfreiheit und/oder Betreuungsschlüssel, ermöglichen können. Davon bin ich fest überzeugt und genau das sind die überwiegenden Erwartungen der Eltern und Träger an eine gerechte frühkindliche Bildungspolitik. Aber unsere Kitas müssen sich genau wie die gesamte Gesellschaft und insbesondere im Bildungsbereich immer wieder Herausforderungen stellen, welche sie meistern werden, wenn sie die entsprechende gesellschaftliche und politische Unterstützung erhalten. Da wäre unter anderem der Rechtsanspruch von Flüchtlings- und Migrationskindern zur gleichmäßigen Teilhabe an den Angeboten frühkindlicher Bildung. Integration gelingt am besten, wenn und wo Kinder so früh als möglich miteinander und voneinander lernen und sich in ihrer Unterschiedlichkeit kennenlernen. Es ist eine wahre Wohltat, zu sehen, wie unvoreingenommen und natürlich Kinder aus unterschiedlichen Kulturen und sozialen Herkunftsbedingungen miteinander umgehen, wie Eltern sich über die Institution kennen- und schätzenlernen, Sprachförderung spielerisch geschieht und so die Übergänge in die Schule am besten gemeistert werden können. Hier tragen die Träger und jeder einzelne Erzieher und jede einzelne Erzieherin besondere Verantwortung, welche durch die verstärkten Angebote zur Fort- und Weiterbildung wie in den letzten Tagen durch die Parität in Zusammenarbeit mit der Kindersprachbrücke Jena unter anderem geschehen ist. Es besteht kein Zweifel, dass wir bei über 1.300 Kitas in Thüringen noch viel Bedarf zur zusätzlichen Fort- und Weiterbildung haben. Aber aus vielfältigen Gesprächen dazu weiß ich, dass die Einrichtungen sehr verantwortungsvoll damit umgehen und möchte mich auf diesem Weg bei allen beteiligten Trägern und Erzieherinnen und Weiterbildungsanbietern dafür bedanken.


Die Landeselternvertretung Kita in Thüringen bekennt sich schon seit Jahren zu einer besseren tarifgerechten Bezahlung der Beschäftigten an den Thüringer Kitas. Sie sind, genauso wie meine Fraktion, voll solidarisch mit den derzeit streikenden Erzieherinnen und Erziehern der kommunalen Kitas und unterstützen eine deutliche Aufwertung des Berufs als pädagogischen Beruf, welcher in den letzten 20 Jahren eine deutliche Wandlung erfahren hat. Nach einer 5-jährigen pädagogischen Ausbildung mit einer hohen Verantwortung und Belastung, hier sei darauf verwiesen, dass die Burnout-Erkrankung bei Erziehern und Lehrern vergleichbar hohe Werte hat, ist es zu hinterfragen, warum eine Aufwertung über die Entgeltgruppen nicht realisierbar ist und in einer Tarifverhandlung dazu noch kein akzeptables Angebot vorliegt.


(Beifall DIE LINKE)


Obwohl ich der Meinung bin, dass Grundschullehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher aufgrund ihrer formalen Abschlüsse noch einen Abstand in der Eingruppierung rechtfertigen, möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass wir nicht einen zehnwöchigen Streik wie 2009 brauchen, um endlich zu einem Ergebnis zu kommen. Zusätzlich arbeitet in Thüringen lediglich ein Drittel des pädagogischen Personals in Vollzeit, was die Einkommenssituation noch einmal verschärft.


Ich denke auch mit Blick auf die Zeit, ich habe mit meinen Ausführungen, wenn auch sicherlich nicht vollständig, doch hinreichend deutlich gemacht, dass wir die Thüringer Kindertagesstätten qualitativ aufwerten wollen. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, AfD)


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