Inklusive Schulentwicklung in Thüringen weiter unterstützen

Torsten Wolf

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/4760

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Liebe Schülerinnen und Schüler hier im Hohen Haus und Lehrkräfte, um es mal umgangssprachlich einzuordnen, stellt ihr euch mal bitte vor, ihr währet – ja – mit einer Besonderheit auf die Welt gekommen – ob man das jetzt Behinderung nennt oder einen gewissen Förderbedarf –, nehmen wir mal zum Beispiel an, ihr habt eine Dyskalkulie und die ist ziemlich schwer in einer Schule abzubilden bzw. zu unterrichten, und ihr würdet euch – und die Frage stellt sich hier und auch in diesem Gesetz – fragen, was wäre für euch die beste Schule. Wäre die beste Schule eine Fördereinrichtung, eine Förderschule, bei der ihr in der Regel keinen Abschluss machen könnt?

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das ist doch Quatsch!)

 

Natürlich ist das so!

 

Oder wäre für euch die beste Schule eine Allgemeinbildende Schule, wo ihr mit der entsprechenden Förderung in der Regel zu einem Abschluss kommt. Und darum dreht es sich hier, um die Frage, ob man und wie man Menschen wertschätzt in ihrer Besonderheit und auch fördert.

 

Kollege Tischner hat in seiner Einbringung darauf verwiesen, dass eine umfangreiche Anhörung stattgefunden hat. Üblicherweise finden Anhörungen im Parlament statt. Ich will mal zu der Anhörung, die uns zum Teil ja auch zugegangen ist – Kollege Tischner, wir sind nicht so, dass wir ganz uninformiert bleiben –, ich will mal sowohl zu diesem Gesetzentwurf als auch zu dieser Anhörung sagen oder zitieren – Zitat –: „Der Blick des Forschers fand nicht selten mehr, als er zu finden wünschte.“ Von wem ist das?

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Von Prof. Merten?)

 

Nein, von Herrn Lessing, falls Ihnen das noch etwas sagt, und zwar aus „Nathan, der Weise“. Was heißt das bezogen auf Ihr Gesetz? Sie haben in Ihr Gesetz etwas reingepackt, was Ihnen schon immer am Herzen lag, nämlich Inklusion möglichst so schwer zu machen, wie es irgend geht. Da war die CDU-Fraktion schon mal weiter, nämlich bis 2014. Jetzt sind offensichtlich andere Abgeordnete hier in der Fraktion – die FDP inklusive –, was es etwas schwerer macht, dort eine nicht ideologisch geführte Debatte zu führen.

 

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ach, das sagen die Richtigen!)

 

(Heiterkeit CDU, SPD)

 

Ja, das sagt der Richtige.

Wer in der Bildungspolitik, sehr geehrte Damen und Herren, zündelt, der wird einen Flächenbrand entfachen.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Na, das haben Sie doch gemacht!)

 

Deswegen war und ist es von besonderer Bedeutung, dass im gesellschaftlichen Konsens unter Demokraten eine Bildungspolitik gesetzlich und administrativ vollzogen wird, die die Schüler und Schülerinnen mit ihren individuellen Voraussetzungen in den Blick nimmt, aber auch auf gesellschaftliche Herausforderungen und wissenschaftliche Erkenntnisse reagiert. Mit anderen Worten: Ziel ist es heute, Gesetze und Verordnungen zu erlassen und zu administrieren, die den Kindern eine gute Bildung sichern, um ein gesichertes Leben und einen erfüllten Beruf auszuführen. Dazu braucht es immer wieder den Blick in die Schulen vor Ort sowie die Diskussion mit Wissenschaft, Verbänden und Vertreterinnen aus der Gesellschaft, wie zum Beispiel der Landeselternvertreter. Ich würde jetzt einmal kühn behaupten, dass Minister Holter wie kein Zweiter in den nächsten sechs, sieben Jahren derjenige Minister ist, der diese Gespräche intensiv geführt hat und auch die Ergebnisse aus diesen Gesprächen vorgelegt hat, nicht nur im Schulgesetz, sondern auch in den entsprechenden – da gehe ich nachher noch drauf – Empfehlungen, auch aus der Gesellschaft, auch aus den Verbänden heraus.

 

Uns als Rot-Rot-Grün ging und geht es um die Gestaltung von Zukunft. Dies wurde in dem 2019 verabschiedeten neuen inklusiven Schulgesetz deutlich. Wir stellen fest: Diesen Anspruch teilen hier im Hohen Haus nicht alle. Mit dem von der CDU und FDP vorgelegten Schulgesetzentwurf und dem Antrag der FDP wird deutlich: Ihnen geht es darum, zurück in die bildungspolitische Vergangenheit zu verfallen und Ihre ideologischen Grabenkämpfe auf dem Rücken und auf Kosten verunsicherter Schüler, Familien sowie Schulen zu betreiben. Dabei verfährt die CDU nach dem Motto „Was stört mich mein Geschwätz von gestern? und hält sich nicht einmal an den selbst eingeforderten Schulfrieden. Bzw. ist Schulfrieden offensichtlich nur das, was Herr Tischner selber definiert.

 

Schauen wir einmal zwölf Jahre zurück. Damals – Kollegin Rothe-Beinlich ist schon darauf eingegangen, auf die Historie 2003, 2010/11 mit den entsprechenden Schulgesetzen, aber allein zwölf Jahre zurück – wurde von der CDU – Hört, hört! – und SPD ein Richtungswechsel in der Bildungspolitik vorgenommen, der auf folgende Punkte gebracht werden kann: individuelle Förderung als durchgängiges Prinzip, längeres gemeinsames Lernen an der Thüringer Gemeinschaftsschule und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention als im Prinzip „eine Schule für alle“.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Und Ressourcen vorhalten!)

 

Ja, das haben wir 2019 reingeschrieben, dazu komme ich auch noch, Kollege Tischner. – Seitdem hat sich das Thüringer Bildungssystem gut entwickelt. Insbesondere bei der Integration der Schülerinnen mit Förderbedarf hat sich – und da zählen im Übrigen nicht nur diejenigen mit sonderpädagogischen, sondern auch pädagogischen Förderbedarf oder Sprachförderbedarf dazu – Thüringen von einem Schlusslicht hin zu einem Vorzeigeland entwickelt. Dafür gilt vor allen Dingen unseren Pädagoginnen Dank und Anerkennung.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

 

Die gute Entwicklung des Thüringer Bildungssystems wird deutlich in bundesweiten Bildungsvergleichsstudien und unter anderem in den Entwicklungsplänen für Inklusion, die die CDU und die FDP ja abschaffen will.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: So ein Quatsch!)

 

Dies aufgreifend und absichernd hat die Regierungskoalition von Rot-Rot-Grün 2019 ein neues Schulgesetz beschlossen, welches den gesetzlichen Rahmen und damit die Rechtssicherheit unter anderem für Gelingensbedingungen festschreibt. Gelingensbedingungen stehen im Übrigen – nur, um das hier mal klarzustellen – in Förderplänen. In den Förderplänen für die Schülerinnen und Schüler ist festgelegt, welche Voraussetzungen für einen Unterricht, für eine Förderung des jeweiligen Kindes im Unterricht tatsächlich gegeben sein müssen. Und was haben wir gemacht? Wir haben das ins Gesetz genommen, indem wir gesagt haben, die Kinder, die an den allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden sollen, die werden dann dort unterrichtet, wenn die sächlichen, personellen und räumlichen Voraussetzungen vorliegen, damit dieser Unterricht dort auch stattfindet. Das sind Gelingensbedingungen. Die stehen aber nicht im Gesetz. Wie wollen Sie das denn machen, Kollege Tischner? Das können Sie nachher gern mal erklären. Sie sind ja, was das anbelangt, offensichtlich Experte in der Förderpädagogik. Sie können gern mal erklären, welche Gelingensbedingungen wir auf die jeweiligen Förderbedarfe individuell ins Gesetz nehmen sollen. Da bin ich wirklich mal gespannt.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das ist der Wunsch! Der Wunsch war das!)

 

Da bin ich wirklich mal gespannt, wenn Sie hier von Gelingensbedingungen reden.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Sie müssen es umsetzen!)

 

Wir haben es ganz klar definiert, ab wann inklusiver Unterricht tatsächlich stattfindet.

Natürlich ist es so, dass jedes Gesetz, das entsteht, auch immer wieder hinterfragt werden kann. Es sind ja nicht nur gesellschaftliche und wissenschaftliche Entwicklungen, die dem zugrunde liegen. Wir haben zum Beispiel – Kollegin Rothe-Beinlich hat es schon gesagt – derzeit aktuell eine Diskussion um den § 17 Abs. 3. Da geht es darum, dass Schulträger in Einzelfällen über die Landesgrenzen hinaus Schüler abgegeben haben. Nun haben wir in § 17 Abs. 3 auf Grundlage eines Urteils geregelt, dass nicht nur einzelne Schulen dort als Bedingungen existieren, sondern insgesamt alle Schulen. Wir müssen uns das natürlich auch noch mal ansehen. Wenn wir jetzt feststellen, dass es Schulträger gibt, die das schon immer so gemacht haben, ob das tatsächlich in den Schulnetzplänen abgebildet sein muss. Da gibt es Gespräche. Da wird es auch die entsprechende Entwicklung geben. Aktuell ist Minister Holter ja dort auch im Gespräch.

 

Aber auch zum Beispiel § 15a Abs. 1: Das betrifft insbesondere, Kollege Jankowski, unser Jena. Da geht es darum, ob Grundschülerinnen und Grundschüler – also das Prinzip, das in § 15a dahintersteht, ist: kurze Beine, kurze Wege. Richtiges Prinzip. Aber wir haben Schulträger, die aufgrund ihrer Schulstruktur – reformpädagogisch orientierte Schulen – die Schulbezirke aufgehoben haben. Das haben wir überwiegend in Jena, wir haben es aber auch in Weimar, wir haben es in Erfurt. Das bringt uns in eine schwierige Situation, dass nämlich Eltern die Gemeinschaftsschule, die von 1 bis 12 geht, gar nicht mehr einfach so ansteuern können, weil das nicht die nächstgelegene Schule ist. Da müssen wir, denke ich mir, noch mal nachsteuern. Das haben auch die letzten Jahre bzw. das letzte Jahr gezeigt, dass es da noch mal Reformbedarf gibt. Das ist nichts, was uns wirklich Sorgen bereitet. Das können wir jetzt gern in dieser Gesamtdiskussion mit aufnehmen.

 

Aber wir haben insgesamt eine gute Entwicklung. Wir haben insbesondere im Bereich „Inklusion“ – zu den sogenannten Gelingensbedingungen habe ich schon etwas gesagt – mit den Entwicklungsplänen „Inklusion“, die an die Schulnetzplanung gekoppelt sind, die alle fünf Jahre aufgelegt werden müssen, die administrativen Voraussetzungen geschaffen, dass tatsächlich die Möglichkeit besteht, Schulen inklusiv weiterzuentwickeln. Das heißt, wir haben jetzt aktuell einen Entwicklungsplan bis 2025, vorgelegt vom Bildungsministerium, abgestimmt mit allen Schulträgern, wo drinsteht: Wie ist der Stand, wie sind die Perspektiven für eine inklusive Schulentwicklung und was will man noch erreichen? Das kann jeder nachsehen. Das steht auch im Netz.

 

Rot-Rot-Grün will also – und hat das auch dokumentiert – mit dem inklusiven Schulgesetz ein inklusives Schulsystem, aber auch da, wo die Voraussetzungen noch nicht geschaffen sind, noch nicht da sind, dass diese dort noch entwickelt werden. Das ist aber offensichtlich nicht Grundlage der gesetzgeberischen Initiative der CDU und FDP. Es ist schon denkwürdig, dass eine Gruppe von vier Abgeordneten der FDP einem schlechten Entwurf der CDU beitritt, obwohl doch Frau Baum wissen müsste, dass das, was da drinsteht, nicht evidenzbasiert ist, also nicht auf den Tatsachen beruht.

Frau Baum, ich habe Ihnen extra meine Mündliche Anfrage mit dem Titel „Feststellungsverfahren bei Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf“ zugeleitet.

 

(DIE LINKE)

 

Sie wissen aus dieser Antwort, die gerade mal zwei Monate alt ist, dass sich die Anzahl der Widerspruchsverfahren mit der Implementierung des neuen Schulgesetzes, was den Lernort Förderschule anbetrifft, halbiert hat. Wie können Sie da allen Ernstes sagen, dass wir oder auch Verwaltung, dass Schulämter den Elternwillen nicht respektieren? Das ist mir völlig schleierhaft. Sie haben doch die Antwort erhalten. Und genauso – Kollegin Rothe-Beinlich ist darauf eingegangen, damit haben wir im Übrigen gerechnet – ist auf die Frage, wie sich denn die Förderschulquote entwickelt hat, geantwortet worden, dass wir das erste Mal seit zehn Jahren mit dem neuen Schulgesetz einen Anstieg der Kinder an den Förderschulen um 200 haben.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Wir haben ja auch steigende …. überall. Das ist doch Hokuspokus!)

 

Ja, wenn Ihre These stimmen würde, Kollege Tischner, dass auf Grundlage des neuen Schulgesetzes der Elternwillen nicht respektiert werden würde und dass wir irgendwas mit der Brechstange machen, dann dürfte das alles doch gar nicht sein. Überlegen Sie doch mal. Kommen Sie doch mal zur Besinnung. Da ist noch völlig unberücksichtigt, dass dieses Gesetz gerade erst mal mit Einbringung der CDU vier Monate galt. Sie haben es nahezu komplett eins zu eins übernommen. Vier Monate! Das ist ein Novum, dass ein so wichtiges Gesetz nach vier Monaten schon wieder infrage gestellt wird.

Frau Baum, ich kenne Sie als kluge und gründlich arbeitende Fachkollegin.

 

(Beifall Gruppe der FDP)

 

Ja, kann man so sagen.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Das ist ja auch so!)

 

Ist auch so, auch und insbesondere im Ausschuss. Frau Baum ist immer top aktuell informiert, kann sich immer in Diskussionen einbringen und hat auch immer eigene Vorstellungen. Nun frage ich mich aber, wenn Sie dem beitreten, was die CDU vorgelegt hat, ob der Druck Ihrer drei Herren aus Ihrer Gruppe der FDP so groß und auch Ihre ideologischen Scheuklappen im Bereich „Inklusion“ so unüberwindlich sind, dass Sie nicht das umsetzen konnten, was Ihnen sonst ebenso eigen ist: eine faktenbasierte Politik zu betreiben. Zumindest – und da will ich auch noch mal kurz auf Ihren Antrag eingehen – zeigt Ihr Antrag eine ziemlich für mich zumindest sinnfreie Forderung.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Jetzt werden Sie mal nicht unverschämt!)

 

Sie wollen nämlich Schulen für den Gemeinsamen Unterricht ausweisen. Ich möchte nur noch mal daran erinnern: Inklusion ist ein Menschenrecht. Und wenn Sie das ernst meinen, Frau Baum, da müsste auf diesem Label stehen: Schulen in Wahrung aller Menschenrechte. Überlegen Sie sich das gut, ob Ihnen das wirklich so ernst ist,

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Was soll denn das? Jetzt bleiben Sie doch mal sachlich!)

 

Schulen für den Gemeinsamen Unterricht, wenn das ein Menschenrecht ist, so wie es definiert ist. Tatsächlich zeigen die Schulträger, welche auch bundesweit hohe Inklusionsraten haben, wie zum Beispiel Jena, wie es geht, und dass es um die Umsetzung eines Rechtsanspruchs geht und nicht um die Umsetzung eines Labels. Aber doch viel mehr enttäuscht war ich, als ich feststellen musste, dass die FDP zwar einige Kardinalfehler aus dem ersten CDU-Gesetzentwurf wie zum Beispiel zum Thema „Demokratisierung von Schulen und Gemeinschaftsschulen“ korrigieren konnte, aber danach ihre politische Wirkmächtigkeit völlig erstarrte. Wir haben als Bildungspolitiker/-innen der demokratischen Fraktionen in den letzten Monaten viele Anträge auf den Weg gebracht, die zum Teil beschlossen sind, zum Teil noch im Ausschuss sind. Gerade in der Pandemie und gerade durch die Pandemie wurden Defizite an allen Schulen bundesweit deutlich. Ich will mal aus der neuen „PÄDAGOGIK“ 6/22, Seite 23, zitieren: Welche Schulentwicklungsvorhaben hat Ihre Schule im Schuljahr 2020/2021 verfolgt, pandemisch noch mal verstärkt? Als Erstes digitales Lernen mit 38,4 Prozent, als Zweites Unterrichtsqualität mit 20,4 Prozent, als Drittes selbstständiges Lernen mit 11,11 Prozent, ich könnt es jetzt fortsetzen. Jetzt gucken wir uns mal Ihren Gesetzentwurf an. Was steht denn außer Inklusion sonst noch drin? So gut wie nichts und vor allen Dingen nichts dazu, vor welchen Herausforderungen tatsächlich die Schulen derzeit stehen.

 

Frau Baum, da frag ich Sie mal: Was ist denn zum Beispiel mit Digitalität? Ist das nicht Ihr Markenthema? Wo findet sich das in Ihrem Entwurf wieder? Ich sage Ihnen jetzt schon, darum werden wir uns im Ausschuss kümmern, auf Vorschlag von Rot-Rot-Grün, wie die Schulen tatsächlich fit für die Zukunft gemacht werden. Kein Gesetzentwurf …

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Das hat der Landtag gar nicht beschlossen!)

 

Ihr Geschrei zeigt ja, wie nervös Sie werden.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Quatsch, was Sie da erzählen!)

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Sie haben ein Jahr nichts gemacht!)

 

Das ist nun wirklich hanebüchen, ein Jahr nichts gemacht. Also da kann ja Herr Minister dann gern noch mal drauf eingehen. Das ist schon wirklich schlimm, so was hier zu sagen. Also ein Schlag ins Gesicht aller Schulträger, ein Schlag ins Gesicht aller Schulen, die sich im Bereich Digitalität extremst weiterentwickelt haben.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Herr Tischner, es ist wirklich ein Skandal, was Sie hier von sich geben.

 

Zweites Thema: Wir haben im Bereich der Schulentwicklung Riesenaufgaben, das weiß auch jeder, zum Beispiel, dass wir Schülerinnen und Schüler haben, die leider immer noch ohne Abschluss abgehen. Das ist völlig unberücksichtigt bei Ihnen. Alle Themen, die tatsächlich Zukunftsthemen sind – Kollegin Rothe-Beinlich ist ja auch schon drauf eingegangen –, sind bei Ihnen unberücksichtigt geblieben. Wenn wir uns über ein modernes Schulgesetz unterhalten wollen, dann werden wir genau diese Themen besprechen.

 

Hingegen werden zum Beispiel die Doppeljahrgangsstufe und die Versetzungsentscheidung infrage gestellt. Nun hat Kollege Tischner ja selbst Keine Anfragen dazu gestellt und sollte aus seinen Erfahrungen und mit den Gesprächen der Kolleginnen und Kollegen aus den Schulen wissen, dass sowohl seine Kleinen Anfragen als auch die Praktikerinnen deutlich sagen: Das mit den Doppeljahrgangsstufen, das mit den Nichtversetzungsentscheidungen, das ist schon richtig. Es gibt Grenzen, da gibt es Brüche, das ist die Klassenstufe 7/8, darüber kann man sich unterhalten.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Aha!)

 

Aber insgesamt habe ich noch keinen Pädagogen – aus welcher Schulart auch immer – getroffen, der sagt, das war der falsche Weg. Sie wollen es komplett abschaffen, Kollege Tischner, da gehen wir nicht mit.

 

Genauso die Frage, wie wir Regelschulen weiterentwickeln. Regelschulen, wichtige Schulart, gerade im ländlichen Raum, die Fachkräfte für die Zukunft bilden, aber vor hohen Herausforderungen stehen, da wir nicht genügend Regelschullehrer finden. Wenn wir jetzt auf den Vorschlag eingehen und nicht mehr nach Kursen, sondern nach Klassen schon ab Klassenstufe 7 verfahren, dann gibt es kaum noch Möglichkeiten vor Ort, auf die Heterogenität einzugehen. Sondern das, was die Regelschule eigentlich mal ausgemacht hat, nämlich ein längeres gemeinsames Lernen und dann in der Klassenstufe 9 die Orientierung, wird damit ad acta gelegt. Wollen Sie das wirklich? Große Fragezeichen.

Schlussendlich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus, möchte ich zusammenfassen. Erstens: Die Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen benötigen keinen Gesetzentwurf von Ihnen, schon gleich gar keinen, der nicht mit der Feder der Vernunft oder der zu bewältigenden Herausforderungen in der Schule oder auf Grundlage von Erfahrungen und Fachwissen formuliert wurde, sondern auf Grundlage ideologischer Blaupausen eines prinzipiellen Misstrauens gegenüber unseren Förderpädagogen, der mit dem Trotz, weil wir es können, haben wir es geschrieben, hier eingebracht worden ist.

 

Zweitens: Es obliegt den Fraktionen von Rot-Rot-Grün, die Vernunft, die richtigen Instrumente und wissens- und effizienzbasierte Vorschläge zur Weiterentwicklung unserer Schulen im Sinne der besten Bildung für unsere Kinder ins Gesetz zu bringen. Dies werden wir auch zeitnah machen. Die Schlagwörter habe ich gesagt. Wir tun dies in der Verantwortung gegenüber unseren Schulen, unseren Kindern und Familien.

Drittens: Dazu wird keine einzige Stimme aus dem Lager der neuen Rechten hier im Haus benötigt. Der Eklat in der Abstimmung nach dem ersten Vorschlag der CDU, als hier AfD-Abgeordnete versucht haben, die Abstimmung zu manipulieren, sollte deutlich machen und mahnt uns alle, dass wir diese Fraktion auf gar keinen Fall benötigen.

 

(Zwischenruf Abg. Aust, AfD: Das entscheidet der Wähler!)

 

Es muss immer und wird immer möglich sein, dass Demokraten Kompromisse finden und diese Kompromisse auch zu einem guten Ende führen oder – um es anders zu sagen – das Beste unter dem Möglichen auch gemeinsam zu erreichen.

 

Deswegen empfehle ich meiner Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs der CDU und der Gruppe der FDP zum Schulgesetz sowie der beiden Anträge und wünsche mir einen fairen und lösungsorientierten Umgang unter den demokratischen Fraktionen und der Gruppe der FDP, bin für eine gemeinsame Anhörung und Beratung der Vorschläge aus den demokratischen Fraktionen und verbinde dies mit dem Wunsch, dass die dann gefundenen Lösungen für die beschließenden Fraktionen über die Legislatur hinaus bindend sind und die Schulen sich darauf einlassen können, damit das langfristig gilt, was im Landtag beschlossen worden ist. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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