Pandemiebewältigung in der Bildung – chancengerechten Zugang zu außerschulischen Lern- und Förderangeboten ermöglichen

Torsten Wolf
RedenTorsten Wolf

Zum Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 7/2786

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, letzter Redebeitrag, da fällt mir eigentlich nur ein, er disqualifiziert sich von selbst und ich bin froh, dass viele Eltern und vor allem die Pädagoginnen und Pädagogen derzeit in unseren Schulen anderes zu tun haben als Ihrer Rede zu lauschen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Leider disqualifiziert sich auch die FDP etwas mit ihrem Antrag. Ich sage das wirklich mit großem Bedauern, da dieser Antrag sehr wohl ein wichtiges Themenfeld aufgreift, aber eben nicht konsequent und umfänglich mit einer Lösungsmöglichkeit versieht, sehr geehrte Kollegin Baum. Sie haben das zwar in Ihrer Einbringung schon formuliert, aber ich denke, da sind auch schon viele Sachen gesagt worden von Kollegen Tischner und Kollegin Rothe-Beinlich und Dr. Hartung.

 

Womit haben wir es zu tun? Wir sind jetzt – wie Kollegin Rothe-Beinlich schon gesagt hat – im dritten Lockdown-Halbjahr. Nicht alle Schulen waren geschlossen. Die Lehrerinnen und Lehrer, das Ministerium, die Schulämter haben ihr Möglichstes versucht, tatsächlich Bildungsangebote offen zu halten, ob das jetzt in Präsenz oder in Distanz war. Ich sage das jetzt mal aus einer persönlichen Perspektive: Meine beiden Kinder hatten diese Zeit ganz unterschiedlich durchlebt, es mag auch mit ihrem Alter zu tun haben – die eine hat sehr gute Ergebnisse im Halbjahreszeugnis, worauf ich wirklich sehr stolz bin, und bei der anderen sieht man ganz deutlich, wo sie ihre Defizite hatte, die auch in Distanz nicht richtig bearbeitet werden konnten –, obwohl sie beide in derselben Schule sind, beide mit demselben Konzept lernen und beide eigentlich nicht ganz leistungsschwach sind. Wir haben also eine ganz unterschiedliche, eine sehr heterogene Situation an den Schulen und die Lehrerinnen und Lehrer, die Schulleitung nehmen das auch genauso wahr und die spiegeln mir das auch wider.

 

Die Wissenschaft ist sich derzeit sehr uneinig, sie sagen: Wir wissen eigentlich gar nichts. Es sind noch keine Pädagoginnen wirklich befragt worden. Es sind noch keine Lernstände wirklich erhoben worden. Niemand kann wirklich sagen, wie groß die Lücken sind. Weder nach Schularten, noch nach Jahrgängen, noch nach Fächern – niemand kann es sagen. Von daher erst mal: Ja, wir sehen das positiv, dass das Programm des Bundes jetzt mit den 2 Milliarden Euro für die Umsetzung dieser Aufgabe in den Ländern auch wirklich ankommt. Ich sage aber auch: Es kommt zu spät, es hätte schon viel früher kommen können. Denn die Problematik ist ja schon länger bekannt. Jetzt, wo es ans Impfen geht, Geld aufzulegen mit dem wir schon lange hätten planen und auch umsetzen können, das ist nicht gerade ein starkes Zeichen seitens des Bundes, die pandemischen Lernrückstände unterstützend nachzuholen.

 

Es gibt unter anderem eine Studie des IFO-Instituts, auf die ich ganz gern eingehen würde. Die hat aber die Schwäche, dass vor allen Dingen Eltern befragt worden sind und keine Pädagoginnen und Pädagogen. In dieser Studie wird davon ausgegangen, dass insgesamt ca. 3,1 Stunden – sagen die Eltern – in Distanz weniger gelernt werden konnte als in Präsenz. In der zweiten Welle der pandemischen Entwicklung konnte etwas mehr gelernt werden. Das hat auch etwas mit der technischen Ausstattung zu tun. Die Eltern sagen, dass in der zweiten Welle die Zufriedenheit mit dem Lernerfolg ihrer Kinder zwar gestiegen ist, aber 59 Prozent der Eltern gaben an, dass ihr Kind weniger oder deutlich weniger gelernt habe. 49 Prozent sprechen von einer großen psychischen Belastung ihrer Kinder – Kollegin Rothe-Beinlich ist schon drauf eingegangen –, obwohl insgesamt die familiäre Situation mit 71 Prozent als zufriedenstellend wahrgenommen worden ist. Es ergibt sich ein Bild, das so in etwa pari pari ist, also in etwa die Hälfte der Kinder hatte durch die Pandemie keine Nachteile und die andere Hälfte der Kinder hatte leichte bis deutliche Nachteile.

 

Nun ist immer die Frage, was uns als Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitikern, was insbesondere der Landesregierung, den sehr klugen Köpfen im Ministerium und in den Schulämtern, dazu einfällt.

 

Als erstes sage ich – es ist ja schon ausgeführt worden –, auch wir werden diesen Antrag, sehr geehrte Kollegin Baum, aufgrund seines Umfangs ablehnen. Wir werden ihn auch nicht überweisen. Aber wir haben diese Woche einen eigenen Antrag, einen Selbstbefassungsantrag in den Ausschuss eingebracht mit dem Titel „Bewältigung pandemiebedingter Lern- und Entwicklungsstände bei Kindern und Jugendlichen in Thüringen“. Da gehört es hin, in den Ausschuss, dass wir uns erst mal mit der Landesregierung dahingehend verständigen, was geplant ist und was wir empfehlen, sodass wir – zumindest die inhaltlich und fachlich starken Kolleginnen und Kollegen im Bildungsausschuss – uns dann verständigen können, ob wir der Landesregierung etwas empfehlen, ob wir dazu einen Antrag selber machen etc. pp., der aber umfänglicher sein sollte und umfänglicher wird, wenn er denn kommt, als das in dem vorgelegten Antrag deutlich wird.

 

Meine Fraktion schlägt unter anderem vor, dass die technischen Möglichkeiten, die sich jetzt in der pandemischen Situation an den Schulen, in den Bildungseinrichtungen sehr gut entwickelt haben, also die Schulcloud und das Thüringer Schulportal nicht zu vergessen, in der Vermittlung und Vertiefung von Lerninhalten stärker genutzt werden müssen. Das ist durchaus möglich, indem die Schulcloud auch noch mal gestärkt wird und die Schulen weiter damit umgehen können in der Vermittlung der Rückstände. Wir haben als Haushaltsgesetzgeber nach meiner Kenntnis gut 11 Millionen Euro zusätzlich für digitale Endgeräte zur Verfügung gestellt. Wir erwarten, dass das schnell umgesetzt wird. Meine Fraktion empfiehlt, ähnlich, wie das in manchen Schularten heute schon ist, dass wir auch die Möglichkeit prüfen und das auch umsetzen müssen im engen Austausch mit Schulleitungen, dass die Schülerinnen und Schüler, die über die Zeit nicht ihre Lernrückstände aufholen konnten, auch noch mal die Möglichkeit bekommen, in sogenannten S-Klassen noch mal etwas zu vertiefen, etwas nachzuholen. Viele Schülerinnen und Schüler – da vertraue ich auch unseren Pädagoginnen und Pädagogen – werden es schaffen, tatsächlich ihre Lernrückstände nachzuholen. Wir werden aber auch Schülerinnen und Schüler haben, die es eben nicht schaffen. Da brauchen wir ein Instrument, das könnte so eine S-Klasse sein. Das lässt sich relativ gut, auch gesetzlich, untergesetzlich festlegen, wie das funktionieren kann mit schulinternen Lehrplänen. Wir haben zum Beispiel das Instrument der IHP an den Regelschulen, das kann man ausbauen. Aber es gibt auch einen starken Ruf aus den Gymnasien, dass auch sie am Ende der Klassenstufe 9 noch mal die Möglichkeit haben, Schülerinnen und Schüler extra zu fördern und da eine Extraklasse einzurichten.

 

Natürlich die Ferien- und Nachmittagsangebote unter Einsatz von geeignetem pädagogischen Personal: Da können Nachhilfeinstitute eine Rolle spielen, das ist nicht die Frage. Aber hier haben wir schon Probleme, was zum Beispiel pensionierte Lehrkräfte betrifft, denen müssen wir uns widmen, aber eben im Ausschuss, wie sie überhaupt eingesetzt werden können. Kollege Tischner ist schon darauf eingegangen, wir müssen uns auch noch mal die Abmilderungsverordnung ansehen, was dort tatsächlich noch mal geändert werden muss. Da gibt es auch Vorschläge aus den Schulen.

Und um das Wort „Entbürokratisierung“ von Kollegin Baum aufzugreifen: Das Schulbudget und insbesondere auch die Mittel, die jetzt vom Bund kommen, müssen natürlich entbürokratisiert an die Schulen weitergegeben werden.

 

Schlussendlich, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist es eine große Aufgabe, vor der die Schulen stehen und sie haben unsere Unterstützung verdient.

 

Vizepräsident Bergner:

 

Ihre Redezeit, Herr Kollege!

 

Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:

 

Letzter Satz: Deswegen zügige Beratung im Bildungsausschuss mit der Landesregierung und eventuell noch vor dem Sommer hier eine Aussprache dazu im Plenum, dann sind wir auf einem sicheren Weg. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE)

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