Starthilfe für Auszubildende aus einkommensschwächeren Familien

Torsten Wolf
RedenTorsten Wolf

Zum Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 7/2780

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Herr Kemmerich, heruntergebrochen lautet ja Ihre steile These, dass sich junge Menschen anhand eines 500-Euro-Gutscheins oder Geld über ihre berufliche Zukunft entscheiden.

 

(Unruhe Gruppe der FDP)

 

Hören Sie einfach zu, hören Sie doch einfach mal zu. Wir haben Ihnen doch auch zugehört.

 

Wenn ich 500 Euro von wem auch immer bekomme, dann entscheide ich mich möglicherweise für eine berufliche duale Ausbildung. Das mag Ihre Wahrnehmung sein, ich kenne die Menschen ja nicht, mit denen Sie sich so unterhalten. Tatsächlich habe ich eine Ausbildung gemacht, bin dann über einen zweiten Bildungsweg noch zum Studium gekommen. Ich habe es nicht bereut, beides nicht, ich kann nur beides empfehlen und werbe auch für beide Bereiche. Ich bin ausdrücklich Kollegen Dr. König dankbar für viele Sachen, die er angesprochen hat, die ich hier nicht wiederholen muss. Ich bin nicht mit allem einverstanden, das muss aber auch gar nicht sein.

 

Tatsächlich ist es so, dass wir gute Ausbildungsbedingungen und gute Entlohnungsbedingungen brauchen. Das hat Kollege König schon angesprochen. Gute Entlohnungsbedingungen heißt langfristig gute Entlohnungsbedingungen. Da schauen wir uns mal die Tarifquote in Thüringen an, Kollege Kemmerich. Das mag Sie vielleicht als Liberalen nicht so interessieren, aber wir hatten hier über die letzten 30 Jahre einen Braindrain insbesondere von jungen weiblichen Menschen, die in die alten Bundesländer gegangen sind, weil sie dort einfach gut verdient haben, weil sie gute Arbeitsbedingungen und gute Einkommensbedingungen vorgefunden haben. Da gibt es mittlerweile zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung einen Trend in Thüringen, die Einkommensbedingungen auch wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Aber wenn man sich die Tarifbindung ansieht, das ist nicht dementsprechend, wo sich junge Menschen tatsächlich entscheiden zu sagen, wenn ich eine gewerbliche Ausbildung mache und dann in den Beruf gehe, dann habe ich auch langfristig da eine Perspektive, weil mein Betrieb tarifgebunden ist.

Das Besondere aber ist, junge Menschen – da gebe ich Kollegen König recht, das hat auch was mit dem Elternhaus zu tun – entscheiden natürlich darüber, welchen Bildungsweg sie überhaupt gehen. Kollege König, da sind wir nicht unbedingt einer Meinung: Ich halte die Trennung nach der Klassenstufe 4 immer noch für einen Riesenfehler.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Das längere gemeinsame Lernen ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man tatsächlich seine schulische Entwicklung in den Blick nehmend sich ab einem gewissen Punkt entscheidet: Gehe ich zum Studium, mache ich Abitur oder gehe ich in eine duale Berufsausbildung? Diese frühe Trennung – bei keinem Kind oder bei kaum einem Kind ist in der 4. Klasse mit neun oder zehn Jahren absehbar, welchen Weg diese Kind geht. Deswegen wählen ganz viele Eltern den Weg für ihr Kind zum Gymnasium, weil das Gymnasium natürlich mit dem Abitur, wenn sie es denn schaffen, alle Möglichkeiten offenhält. Deswegen haben wir ein Problem mit der Nachfrage an den Regelschulen. Wir haben das Problem ja nicht bei den Gemeinschaftsschulen.

 

Wenn ich jetzt mal in meinen eigenen Wahlkreis gehe, da haben wir unter anderem eine Schule, die heißt auch so, „Werkstattschule“, da steht das praxisorientierte Lernen im Mittelpunkt – eine Gemeinschaftsschule. Was machen da die Kinder? Schon ab Klassenstufe 1 wird dort der Lehrplan auch damit vermittelt, was Mathematik zum Beispiel in einem Blumenladen heißt, wenn ich mit Zahlen und Mengen umgehe, bis hin zum Abschluss mit vertieften Praktika die Berufsorientierung zu stärken. Das ist der Weg, um Menschen tatsächlich so in ihrer schulischen Entwicklung, in ihrer Bildungskarriere anzureizen, zu sagen: Bist du denn wirklich der- oder diejenige, die ein Studium machen will oder sollte oder bist du der- oder diejenige, die sehr gut im Bereich einer gewerblichen, einer technischen, einer kaufmännischen Ausbildung, also einer dualen Ausbildung seinen oder ihren Weg findet. Das gilt es zu stärken, und nicht, wie es in Ihrem Antrag intendiert ist, mit einem Gutscheinsystem. Das ist der völlig falsche Ansatz, nicht nur, weil er zu spät kommt. Das ist so ein – na ja, ich hatte es ja schon gesagt –, da machen wir mal ein kleines Töpfchen, mal sehen wie es wirkt. Was wir tatsächlich gemacht haben – und das wirkt – ist, dass wir den Weg zur Ausbildung, den Weg zur Berufsschule mit dem Azubiticket unterstützen. Dieses Azubiticket war jetzt wieder in der Diskussion, ob die Verlängerung kommt oder nicht. Ich bin dankbar, dass es tatsächlich so passiert. Ich fordere den letzten Landkreis, den Landkreis Greiz auf – wo Kollege Tischner beheimatet ist –,

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

dort endlich die Auszubildenden und die Betriebe nicht außen vor zu lassen. Kollege Montag wollte etwas fragen.

 

Vizepräsident Worm:

 

Herr Abgeordneter, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage des Abgeordneten Montag. Bitte sehr.

 

Abgeordneter Montag, Gruppe der FDP:

 

Danke schön. Kollege Wolf, ich habe vieles gehört, aber noch nicht wirklich etwas zum Antrag und vor allen Dingen nicht zu einer entscheidenden Frage, nämlich warum Sie Studienanfänger und Studierende unterstützen,

 

(Zwischenruf Abg. Müller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Setzen, 6!)

 

während Sie Auszubildende gerade in der Anfangszeit nicht unterstützen.

 

(Beifall AfD)

 

Ich möchte wissen, was der objektive Grund dafür ist. Dazu habe ich noch gar nichts gehört. Darum geht es aber gerade. Vielen Dank.

 

Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:

 

Vielleicht haben Sie mir bei meinem letzten Absatz auf Ihrem Weg zum Mikrofon tatsächlich nicht zugehört. Das Azubiticket kostete uns mehr als 10 Millionen Euro.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Schüler- und Studententicket!)

 

Wissen Sie, wie viel davon der Freistaat übernimmt? Das bezahlen die Studierenden selbst, Kollege Montag. Also, wenn man schon etwas vergleicht, dann bitte nicht Äpfel mit Birnen. Wir unterstützen das.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Der zweite Punkt, den ich Ihnen gerne mitgeben möchte, damit er auch noch benannt ist: Wir haben nicht nur nach wie vor als Bundesland die höchsten Ausgaben für Bildung. Wir haben insbesondere bundesweit im berufsbildenden Bereich die absolut höchsten Ausgaben. Das hat etwas damit zu tun, dass wir es uns mit 38 berufsbildenden Schulen in der Fläche leisten, das Angebot so breit wie möglich zu halten. Das, was wir machen, macht kein anderes Bundesland, eine Klasse mit 15, manchmal noch mit 12 zuzulassen. Das macht kein anderes Bundesland! Das ist eigentlich – wir haben es ja immer mit der Ökonomie – völlig unökonomisch. Aber es ist uns wichtig, dass die

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, Gruppe der FDP: Da hilft aber nicht das Geld an der falschen Stelle! Die Ausbildungszahlen sinken! Da müssen wir was machen!)

 

Ausbildungsstätten, die Berufsschulen auch in der Fläche sind. Das ist etwas, was Thüringen ausmacht und stärkt. Darauf können sich die Berufsschülerinnen und Berufsschüler und die Betriebe verlassen. Mit dem neuen Berufsschulnetzplan, der in Bälde vorgelegt wird, den wir mehrfach im Bildungsausschuss besprochen haben, wird genau das abgestimmt.

 

(Unruhe CDU)

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, Gruppe der FDP: Seit Jahren sinken die Zahlen!)

 

Kollege Tischner, Sie wissen es doch. Abgestimmt mit den Landrätinnen und Landräten wird genau das weiterhin der Kerngehalt des Berufsschulnetzes in Thüringen sein. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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