Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz (ThürBfG)

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 6/348


Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Dr. Voigt, der Untergang des Abendlandes droht heute. Genau das Argument habe ich mir vor gut zwei Jahren in der Staatskanzlei schon mal anhören dürfen. Damals haben die Ministerpräsidentin – Ihre Ministerpräsidentin – und der stellvertretende Ministerpräsident die Sozialpartner eingeladen. Dort haben Handwerkskammervertreter genauso gesprochen und haben gesagt: Wenn ein Bildungsfreistellungsgesetz kommt, dann gehen Betriebe pleite.


Da hat die Frau Ministerpräsidentin damals gefragt: Meinen Sie das jetzt im Ernst? Natürlich kann man sowas nicht ernst meinen, sondern da ist eine ganze Menge Polemik, eine ganze Menge Scharfmacherei dabei. Ich sage: Gut, dass wir heute an dem Punkt sind, dass wir hier einen Gesetzesvorschlag zur Abstimmung bringen, was sich in der Praxis bewähren kann, wo wir nach drei Jahren eine Evaluation erbringen und wo wir dann auch sehen, wie es gewirkt hat. Denn dann werden wir – ich sage es jetzt mal in Klammern – genauso wie beim Mindestlohn sehen, dass auch die Wirtschaftsvertreter ihren Frieden damit machen konnten und dass Sie auf das falsche Pferd setzen, wenn Sie hier den Untergang des Abendlandes heraufbeschwören.


Wir haben – Kollege Schaft hat schon darauf hingewiesen – heute eine interessante Umfrage in der TLZ, die sich auch damit beschäftigt, wie die Akzeptanz unserer Vorhaben ist. Zum Bildungsfreistellungsgesetz kriegen wir die besten Noten für alle unsere Vorhaben. Wenn man sich das ansieht – auch darauf hat Kollege Schaft schon verwiesen – es sind vor allem die Jüngeren, also die 18- bis 29-Jährigen und die 30- bis 39-Jährigen, die dort eine überwiegend positive Meinung von unserem Vorhaben haben. Die werden sich mit Sicherheit – da auch umfassend darüber in der veröffentlichten Meinung informiert worden ist – damit beschäftigt haben. Was heißt das denn? Das heißt doch, dass diejenigen, die nah dran sind an ihren formalen Abschlüssen, die noch am bildungsnächsten sind, dass die sagen, Bildung ist ein wichtiger Wert. Und natürlich ist gesellschaftliche, kulturelle und ehrenamtsbezogene Weiterbildung auch ein wichtiger Wert. Wir erfüllen damit nicht nur den Koalitionsvertrag, sondern wir sagen, wir nehmen, wir greifen ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema auf, setzen es um und dies wird Thüringen voranbringen. Es wird den Arbeitsmarkt voranbringen, es wird denjenigen Menschen, die uns in den letzten 25 Jahren aufgrund der Wirtschaftsentwicklung, Arbeitsmarktentwicklung verlassen haben, ein positives Zeichen setzen, wieder zurückzukehren, zu sagen: Thüringen ist auf einem guten Weg. Es lohnt sich, sich wieder an Thüringen zu orientieren. Das ist natürlich nur ein Baustein, aber es ist ein wichtiger Baustein, deswegen werden wir es machen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Dr. Voigt, Sie haben von der Anhörung gesprochen und haben davon gesprochen, dass die Betroffenen es einmütig abgelehnt haben, das Gesetz. Es ist von Astrid Rothe-Beinlich schon gesagt worden, wie der Verlauf war. Das war schon ein starkes Stück. Aber die Betroffenen des Gesetzes sind vor allen Dingen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Denn für die schreiben wir dieses Gesetz.


(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Das ist die Zielgruppe, das sind nicht die Betroffenen! Das ist ein Unterschied!)


Genau die werden das, was sie in den Fortbildungs- und Weiterbildungsangeboten mitnehmen in ihre Betrieben, in ihre Dienststellen, in ihre Verwaltung wieder mit einbringen. Wenn ich höre von der DEHOGA, dort wird ein Menschenbild offensichtlich immer noch gepflegt: „Mir nützt nur jemand, der ein Tablett tragen kann“, da sage ich, dann nützt denen offensichtlich nur der Arm und die Beine und nicht der Kopf. Dann nützt denen offensichtlich nicht der kulturelle Umgang. Dann nützt offensichtlich auch nicht, dass man sich selber auch mit seiner Arbeit identifiziert. Das ist doch kein Welt- oder kein Menschenbild, was noch diesseits ist, was in die heutige Zeit passt. Ich habe das alles als ziemlich befremdlich wahrgenommen, was da gesprochen worden ist, und kann das überhaupt nicht teilen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben gesagt, dass die Kosten und die Beteiligung der Spitzenverbände nicht offenliegen. Wir haben in der Anhörung nachgefragt, extra nachgefragt, wie es aussieht mit den Kosten. Dort wurden Zahlen genannt, die sofort widerlegt werden konnten, weil diejenigen, die angehört wurden seitens der Wirtschaft, offensichtlich noch nicht mal das Gesetz gelesen hatten. Dort wurden völlig irreale Zahlen genannt, die alle zurückgenommen werden mussten.


Lassen Sie uns die Evaluation machen, lassen Sie uns das ansehen, wie es wirklich die Unternehmen und die Verwaltung tangiert, und dann können wir entsprechend auch da unsere Rückschlüsse daraus ziehen. Wir haben natürlich die Spitzenverbände angehört, erst die Landesregierung selbst im Verfahren, das wissen Sie auch, in den Werkstattgesprächen. Wir haben dann natürlich die Anhörung gemacht und wir haben unterschiedliche Rückschlüsse aus den Anhörungen gezogen. Das ist doch was völlig Legitimes. Es liegen Änderungsvorschläge von Ihnen vor, wir haben unsere eingebracht. Das ist auf einem guten Weg.


Zu den Kosten kann ich noch sagen, dass das Bundesverfassungsgericht seinerzeit explizit zu den Kosten gesagt hat: Es ist legitim, dass Unternehmen auch kostenseitig belastet werden, denn es geht um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Natürlich tragen Sie das hier nicht vor, das verstehe ich auch, das passt ja nicht in Ihr Bild. Dementsprechend sage ich: Ja, Bildungsfreistellung wird unser Land voranbringen und wir werden heute mit dieser Entscheidung den Thüringer Arbeitsmarkt weiter reformieren. Zum Thema „Notengebung“, Herr Voigt, kann ich Ihnen sagen: Wenn ich Neuigkeitswert Ihrer Rede, Ihre eigene Lernbereitschaft und Ihre Akzeptanz für gesellschaftliche Mehrheiten nehme, dann komme ich auch deutlich zu „mangelhaft“. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dateien