Thüringer Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft (ThürSchfTG)

RedenTorsten WolfBildung

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU – Drucksache 6/226


Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Eberl von der Evangelischen Schulstiftung, nun muss ich doch etwas Wasser in den Wein kippen, Herr Eberl. Wir planen nicht 100 Millionen, liebe Marion Rosin, wir planen 10 Millionen.


(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Was ist schon eine Null?)


Das ist ein Betrag – darauf hat Frau Rosin schon hingewiesen –, der mit dem Haus Matschie damals und mit dem Haus Klaubert jetzt besprochen und ausgehandelt wurde. Das ist eine belastbare Zahl, an der wir uns auch orientieren.


Nichtsdestotrotz möchte ich noch einmal kurz darauf eingehen, was Frau Rosin gerade gesagt hat, was bei der CDU fehlt. In der Tat haben wir ein Drittel aller Gemeinschaftsschulen in Thüringen in freier Trägerschaft. Das zeigt auch, wie gut die freien Schulen aufgestellt sind. Das zeigt, dass die freien Schulen immer Innovationsmotor sind und waren. Wenn Sie die dahinterstehenden – wenn ich das jetzt mal sehe – 2071 Schülerinnen und Schüler einfach mal so vergessen, dann ist das schlechtes Handwerk. Um sich noch mal etwas an den Zahlen entlangzuarbeiten: Wir haben von 2009/2010, immer Schuljahr, auf 2013/2014 einen Aufwuchs der Schüler in den freien Schulen um 6,7 Prozent, an den staatlichen Schulen eine Abnahme um 4,3 Prozent. Wir haben an den staatlichen Schulen im selben Zeitraum eine Abnahme von 11 Prozent der Lehrkräfte, an den freien Schulen aber einen Aufwuchs um knapp 22 Prozent. Wir haben – das ist auch eine Tatsache – seitdem 16 freie Schulen mehr und haben 16 staatliche Schulen weniger. Trotz alledem, und das ist ja – Sie haben gesagt, Herr Tischer,


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Tischner!)


Sie wollen sich da auch nicht aus der Verantwortung stehlen, ich habe Ihre Rede aber sehr wohl verstanden – Gesundheit, Herr Mohring –, dass wir heute hier stehen, weil Sie 2010 ein Gesetz verabschiedet haben, das schon in der damaligen Debatte durchaus auf Kritik, und zwar auf berechtigte Kritik gestoßen ist. So ganz richtig wohl war Ihnen dabei wohl auch nicht, insbesondere dem Kollegen Emde, denn er sagte in der Debatte damals oder gab dem Ministerium mit auf den Weg, dass die CDU-Fraktion doch auch voraussetzt, dass dahin gehend die Klarheit geschaffen wird, was die Finanzierung anbetrifft. Gemacht haben Sie seitdem nicht wirklich viel trotz einer großen gesellschaftlichen Debatte, vielen Anträgen seitens der Opposition damals. Vielen Anfragen ist erst jetzt, nachdem Sie selber die harte Bank der Opposition drücken, Ihnen wieder in den Sinn gekommen: Ja, das ist ein Thema.


(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Mensch, hör doch auf!)


Ich sage jetzt mal bewusst, mit dem man sich auch weiter profilieren kann.


(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wir haben die freien Schulen vor 20 Jahren gegründet und erfunden!)


Sie haben es nicht erfunden, es steht im Grundgesetz. Es ist ein grundgesetzlicher Anspruch, die Gründung von freien Schulen. Es ist nur umgesetzt worden in der Thüringer Landesverfassung.


(Unruhe CDU)


Von daher auch hier etwas runterfahren. Nun ist es so, dass das Gesetz der Schulen in freier Trägerschaft dringend nachgebessert werden muss. Es ist unserem Koalitionspartner, den Grünen, zu verdanken, und das meine ich jetzt sehr positiv, dass wir heute, mit dem Start heute die Nachbesserung angehen. Denn die Grünen haben den Landesverfassungsgerichtshof angerufen und um Klärung gebeten.


(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So war es!)


Damals sagte noch der Herr Emde den Grünen oder gab ihm mit auf dem Weg nach Weimar, sie sollen vorsichtig sein. Wer vor Gericht zieht, wisse nie, wie es ausgeht. Kollege Emde, der Richterspruch wurde zu Ihrem Cannae. Eine Niederlage, die vermeidbar gewesen wäre.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen heute, wenn Sie auf die vielen Mahner und die substanzielle Kritik gehört hätten, dann wäre uns vieles erspart geblieben, unter anderem die jetzt unter Hochdruck zu formulierende und zu verabschiedende Gesetzesnovelle.


(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wenn das Hochdruck ist!)


Umso deutlicher soll wohl das Signal sein, welches die CDU mit der vorliegenden Gesetzesinitiative senden will. Einerseits, wie der Fraktionsvorsitzende Mohring letzte Woche der versammelten Weltpresse, es waren zwei Vertreter da, verkündete, dass die CDU Handlungsfähigkeit beweisen will, was nach ihrer Lesart die Regierungskoalition nicht kann. Dazu kann ich nur sagen, dass hier sehr wohl Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht


(Beifall DIE LINKE)


und dass sie den politischen Gestaltungswillen Ihres früheren Koalitionspartners falsch einschätzen.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Unmittelbar nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichtshofs war es Christoph Matschie als Bildungsminister, der die freien Schulträger eingeladen hat, um mit ihnen zusammen die Voraussetzungen für ein abgestimmtes und zukunftsfähiges Gesetz zu schaffen. Und ich möchte mich hier auch noch mal bedanken im Namen meiner Fraktion bei den freien Schulträgern, dass sie seitdem sehr konstruktiv und intensiv mit der Landesregierung zusammengearbeitet haben, um eine Vorlage rechtzeitig mit zu erstellen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In mehreren Planungsrunden wurden die Grundlagen für einen reibungslosen Übergang auch in diesem Bereich gelegt. Ministerin Dr. Klaubert wird auch auf dieser Grundlage fristgerecht einen Gesetzesvorschlag einbringen, der sowohl den Anforderungen des Urteils – worauf ich noch eingehen werde – als auch einer zukunftsfähigen Finanzierung gerecht werden wird. Anderseits bezweckt Herr Mohring wohl – wie er öffentlich mitteilt –, die Fraktionen der Grünen mit seiner Gesetzesinitiative auch ein Stück weit zu begeistern. Hier sei Ihnen – das liegt ja für Sie schon einige Jahre zurück – gesagt, wir haben einen Koalitionsvertrag auf Augenhöhe verhandelt und verabschiedet. In diesem ist alles erfasst, was wir umsetzen werden. Wir werden uns da Diskussion mit Ihnen – um beste Lösungen natürlich – nicht verschließen. Aber das, was Sie vorgelegt haben, wird es sicher nicht sein, was wir beschließen werden.


Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, seitdem der frühere Finanzminister, Dr. Voß, nun noch via Medienoffiziell sich von Thüringen verabschiedet hat, scheint die CDU neue Geldquellen gefunden zu haben, denn im Gesetzentwurf der CDU steht mal eben ein famoser Betrag von 17,5 Millionen Euro. Wie kommen Sie darauf? Sie sagen, auf den Sockel von 2010 geben Sie 10 Prozent drauf und dann sollen die freien Schulen jährlich pauschal 3 Prozent mehr bekommen. Mir macht dabei nicht so sehr der Betrag Sorgen. Da wird Frau Dr. Klaubert einen eigenen mit den Schulträgern abgestimmten Vorschlag unterbreiten.


Ich finde Ihren Methodenwechsel erstaunlich. Die von Ihnen geführte Diskussion in 2010 war geprägt, und zwar geprägt von der Finanzministerin damals, von einem Vergleich staatlicher und freier Schulen. Dies ist ein durchaus zulässiger Vergleich. Das hat auch der Landesverfassungsgerichtshof festgestellt. Denn mit dem Ist-Kosten-Modell, auf dem Sie nun wieder aufsetzen, werden in der Tat die Überhänge an den staatlichen Schulen mit erfasst und an die freien Schulen weitergereicht. Gerade in 2010, wo wir noch gut 1.500 Lehrer mehr im staatlichen Schulsystem hatten, waren die Überhänge, die heute bestenfalls noch als Lehrer-Schüler-Relation im Ländervergleich zu finden sind, noch an den staatlichen Schulen.


Nun können die staatlichen Schulen weit weniger schnell auf sich verändernde Schülerzahlen reagieren, was man bereits mit Blick auf die Personalstatistik mit 60 Prozent verbeamteten Lehrern sehen kann. Auch haben Ihre Fehler in der Personalpolitik in der Vergangenheit – Thema Teilzeitverbeamtung – nicht dazu beigetragen, den Überhang mit einer gesunden Nachwuchsgewinnung verbindend abzubauen.


Ihre alte Koalition hat eine neue Methode eingeführt, das Sollkosten-Modell. Was Sie jetzt machen, ist, auf das Istkosten-Modell aufbauend, wo die Überhänge drin sind, einen Betrag X, nennen wir ihn Sockel, draufzubauen, und ab diesem Haushaltsjahr sollen qua Gesetz die freien Träger unabhängig der Kostenentwicklung der staatlichen Schulen einen prozentualen Aufschlag erhalten.


Hier stellen sich dann doch noch ein paar Fragen an Sie, Kolleginnen und Kollegen der CDU. Gilt denn bei Ihnen noch das in der letzten Legislatur von Ihnen beschlossene Personalabbaukonzept? Wenn ja – und davon gehe ich bei Ihnen aus – sind die staatlichen Schulen gezwungen, bei gleichbleibender Schülerzahl bis 2020 mit deutlich weniger, in etwa 2.000 Lehrerinnen und Lehrer weniger, auszukommen. Dadurch würde sich das Lehrer-Schüler-Verhältnis an den staatlichen Schulen deutlich zuungunsten der freien Schulen verschlechtern. Auch würde der erwartete Schülerrückgang ab 2022/23 etwa – Stichwort demografisches Echo – einseitig zulasten der staatlichen Schulen gehen. Wir haben in unserem Koalitionsvertrag gleiche Bedingungen für alle Schüler festgeschrieben. Das ist für uns Maßstab, das werden wir realisieren.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen diesbezüglich zu einem ausgeglichenen Gesetz kommen, schon weil eine Vollfinanzierung oder gar Überfinanzierung grundgesetzwidrig wäre. Aber offensichtlich wollen Sie mit diesem Gesetz, mit Ihrem Gesetzesvorschlag, eine ganz neue Richtung einschlagen. Nach Ihren Vorstellungen sollen unter anderem Genehmigungsverfahren zum Beispiel bei Schulleitungen, Genehmigungen einzelner Bildungsgänge, Schulformen einzelner Fachrichtungen, bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ganz gestrichen werden. Auch erfassen Sie nicht mehr die in § 4 Abs. 4 in der jetzigen Fassung enthaltenen Erzieherinnen und Erzieher oder vergleichbaren Berufsgruppen im Ganztag. Sie machen hier wieder hier von Ihrer Grundhaltung Gebrauch, dass der Ganztagsbereich Ihrer Meinung nach keine pädagogischen Fachkräfte benötigt, da es so ja viel billiger geht.

Auch fehlt bei Ihnen der § 5 Abs. 8 – dort enthalten: Wesentliche Änderungen bedürfen der erneuten Genehmigung; und Absatz 9: Einsatz von Lehrkräften ohne schulart- und fachspezifische Ausbildung. Das, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, nennen Sie: „Unverhältnismäßige Hürden in den Genehmigungsverfahren sollen abgebaut werden.“ Ich nenne das eine Zone der Rechtsunsicherheit, in die Sie freie Träger schicken, und die Verringerung von weitgehend bewährten Qualitätsstandards.


(Beifall DIE LINKE)


Nun haben Sie ja ein vergleichbares Anliegen wie die rot-rot-grüne Koalition. Sie wollen ein Gesetz vorlegen, welches Anforderungen des Landesverfassungsgerichtshofs genügt. Dementsprechend ist ein Gesetz vorzulegen, welches vom Landtag beschlossen wird und alle maßgeblichen Berechnungsmodi für den Landtag und die Träger transparent und nachvollziehbar enthält. Keine Aussage – zumindest keine substanzielle – wurde aber seitens des Landesverfassungsgerichtshofs getroffen, was die Höhe der staatlichen Finanzhilfen anbetrifft. Das Gericht hat aber nachdrücklich auf die drei Säulen verwiesen: eigene Beiträge – durch Spenden, Kapital und selbst Kredite –, Elternbeiträge – natürlich nach dem grundgesetzlichen Sonderungsverbot – und staatliche Finanzhilfe als Defizitdeckung. Genau das wurde ausgeführt.


Damit bin ich bei Ihrem Entschließungsantrag. Obwohl ich mich Ihrem Anliegen grundsätzlich anschließen kann, sage ich Ihnen auch, Ihr Entschließungsantrag greift zu kurz, denn auskömmliche staatliche Finanzhilfe kann nur ermittelt werden, wenn klar ist, wie hoch der erbrachte Eigenanteil und die Elternbeiträge sind. Da gibt es durchaus unterschiedliche Reaktionen bei den freien Trägern. Es gibt freie Träger, die sind heute schon sofort bereit, ihre Kostenstruktur, ihre Finanzstruktur offenzulegen, und es gibt freie Träger – das sage ich aus persönlicher Erfahrung –, da sage ich, da werden andere defizitäre Bereiche durch das Geld vom Staat aus den Schulen zum Beispiel im Bereich Pflege oder Kita noch mit gedeckt.


Eine staatliche Vollfinanzierung – darauf verweist der Landesverfassungsgerichtshof – ist weder grundgesetzkonform noch mit der Thüringer Landesverfassung vereinbar. Daher sind natürlich auch die Träger aufgefordert, ihre Kostenstruktur und Finanzierungsbedingungen dem Ministerium offenzulegen, damit der auskömmliche staatliche Finanzierungsanteil auch tatsächlich erhoben werden kann.

Sie sehen, es gibt genügend Klärungsbedarf und daher beantragen wir die Überweisung der Drucksachen 6/226 und 6/227 an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport, den Haushalts- und Finanzausschuss und den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.


Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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