Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft

Torsten Wolf
RedenTorsten Wolf

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/2047

 

Vielen Dank erst einmal für die Vorbereitung hier am Pult. Das gehört auch dazu.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Kollege Tischner, ich meine, Sie sind wie ich direkt gewählt. Von daher gehe ich davon aus, dass Sie in Ihrem Wahlkreis ein gutes Standing haben. Aber falls Ihre politische Karriere doch mal abrupt enden sollte, dann könnten Sie sich vielleicht vornehmen, eine freie Schule zu gründen, vielleicht eine freie Schule, wo Zirkus, Flickflack etc. unterrichtet wird, weil das, was Sie hier abliefern, schon sehenswert ist.

 

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Hörenswert!)

 

Sie beziehen sich in Ihrem Gesetzesvorschlag auf einen Vorschlag der Landesregierung

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: LAG!)

 

– Nein, auf einen Vorschlag der Landesregierung und der Anlage 1! – und sagen hier mehrfach, die Landesregierung hätte nichts vorgelegt. Sie fordern sogar den Minister auf, sich von seinem eigenen Gutachten zu distanzieren, obwohl dieses Gutachten sich zu nahe 100 Prozent in dem Vorschlag mit der LAG wiederfindet

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Auskömmlich finanziert steht da drin!)

 

mit 215 Millionen Euro plus das entsprechende Schulbudget. Also das ist schon hohe Kunst, was Sie hier vollziehen. Das macht Ihnen so schnell niemand nach.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, freie Schulen, ein Thema, an dem sich immer wieder auch hier im Haus, aber auch in der Gesellschaft die Geister scheiden. Für manche sind es schlicht Privatschulen. Sie vermuten, dass lediglich Eliten Zugang zu diesen Schulen haben und dass dadurch der Gleichstellungsanspruch unserer Gesellschaft gefährdet wäre. Für andere Menschen aber sind freie Schulen die Antwort auf Individualisierung und den Selbstbestimmungsanspruch, gerade auch im Bildungsbereich. Für mich und meine Fraktion sind freie Schulen ein wichtiger ergänzender Bestandteil einer pluralen und differenzierten Bildungslandschaft in Thüringen. Genau diesen Geist lebt der von der Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegte Gesetzentwurf, den wir heute behandeln.

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, freie Schulen in Thüringen bilden die gesamte Breite der Schularten ab. 27.100 Schülerinnen und Schüler lernen an den 165 freien Schulen im Freistaat, davon sind 22 Förderschulen, 34 Grundschulen, 8 Regelschulen, 11 Gymnasien, 5 Waldorfschulen, 1 Gesamtschule, 18 Gemeinschaftsschulen und 66 berufsbildende Schulen. Auch diese stellen, die berufsbildenden Schulen, einen unverzichtbaren Anteil an den Möglichkeiten der beruflichen Bildung sicher.

 

„Unverzichtbar“ will ich dazu sagen. Staatliche und freie Schulen nehmen – Kollegin Rothe-Beinlich hat das schon gesagt – natürlich den öffentlichen Bildungsauftrag wahr, gemeinsam. Die Lehrpläne und die Prüfung zu den Abschlüssen sind gleich oder werden gar in staatlichen Schulen abgenommen. Tatsächlich hatten die freien Schulen einen Vorsprung bei der Entwicklung und Umsetzung von pädagogischen Konzepten, als sie 1990 an den Start gingen. Aber gerade hier haben sich die staatlichen Schulen erheblich weiterentwickelt, ja, auch oftmals lernend von den Erfahrungen aus dem Bereich der freien Schulen, aber natürlich auch mit den Konzepten, die in Wissenschaft, aber auch in anderen Bundesländern entwickelt worden sind. Tatsächlich haben freie Schulen in der Personalauswahl und in der Steuerung, in der Eigenverantwortung und in der Schulentwicklung durch ihre Selbststeuerung immer noch Vorteile. Und ja, auch ich sehe es kritisch, dass die freien Schulen durch die fehlende Bindung an die Schulnetzplanung, insbesondere Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund nahezu nicht beschulen. Ich sehe auch kritisch, dass die freien Schulen, die allgemeinbildenden freien Schulen, bei der inklusiven Beschulung deutlich hinter den staatlichen Schulen liegen. Aber aus vielen dutzend Gesprächen weiß ich, dass die freien Schulen vor denselben Herausforderungen stehen wie die staatlichen Schulen. Neben Digitalisierung, modernen Schulbauten und dem Umgang mit Heterogenität möchte ich hier insbesondere den Schulleiter der freien Schule in Haubinda, Herrn Burkhard Werner, zitieren, der auf meine Frage, was sind bei ihm die drei größten Herausforderungen, erst letzte Woche sagte: „Personal, Personal, Personal“. Das kennen wir doch. Als Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen 2014 eine neue Koalition schmiedeten und fünf Jahre mit Leben füllten, war einer der Knackpunkte, wie gelingt es uns, die katastrophale Finanzsituation an den freien Schulen in ein Zukunftskonzept weiterzuentwickeln bzw. anders zu gestalten. Wir haben damals eine Steigerung um 10,7 Millionen Euro bzw. 7,9 Prozent ins Gesetz genommen. Wir haben damals auch die Einkommensentwicklung im Bereich Erziehung und Unterricht – und Kollegin Baum, da ist es ein Unterschied, ob man Tarife oder die Einkommensentwicklung als statistischen Wert festschreibt, aber das können wir gerne noch mal im Ausschuss diskutieren.

 

(Zwischenruf Abg. Baum, FDP: Gern!)

 

Wir haben damals die Einkommensentwicklung im Bereich Erziehung und Unterricht sowie einen Inflationsausgleich im Gesetz als Dynamisierungsbetrag von 1,9 Prozent verankert. Und ja, da haben wir uns daran orientiert, wie war denn die Entwicklung in den letzten Jahren. Der Haushaltsansatz 2020, also von diesem Jahr, sieht für die freien Schulen ein Finanzvolumen von in etwa 193 Millionen Euro vor – eine Steigerung von 2014 bis 2020, also in sechs Jahren, um 42,6 Prozent. Damit hatten die freien Schulen erstmals erstens die gewünschte und von Weimarer Richtern uns ins Stammbuch geschriebene Verlässlichkeit in der Finanzierung und auch Transparenz, sie standen nämlich im Gesetz. Wir haben 2015 auch eine Evaluation ins Gesetz aufgenommen und das Gesetz bis – und das ist heute schon gesagt worden – 31.12. dieses Jahres befristet in den §§ 17 und 18, was den Finanzierungsanteil betrifft. Aufgrund dessen, dass wir das ins Gesetz genommen haben, hat das TMBJS in diesem Frühjahr eine umfangreiche Evaluation vorgelegt. Der Bildungsausschuss hat die Evaluation in seiner Sitzung am 03.07.2020 diskutiert und zur Kenntnis genommen. Die daraus folgende Fortschreibung der Finanzierung der freien Schulen war und ist ein notwendig wichtiges Anliegen und wurde im Evaluationsbericht mit Vorschlägen erfasst. Auf Bitten der Fraktionen Die Linke, SPD und von Bündnis 90/Die Grünen, also auf Initiative aus dem Landtag heraus, nahm Bildungsminister Holter zusammen mit der LAG Freie Schulen Verhandlungen auf, die zu einem konkreten Vorschlag für die Schülerkostenjahresbeiträge 2021 führen sollten. Für die dann erstellte Vorlage und die zugrunde liegenden Verhandlungen möchte ich insbesondere neben Herrn Eberl von der Evangelischen Schulstiftung und Herrn Dr. Fahnroth – und ich weiß, wie viele gerade der Träger, aber auch der Schülerinnen und Schüler heute hier diese Debatte verfolgen – auch Frau Staatssekretärin Dr. Heesen danken, die das mit verhandelt hat.

 

Es ist nicht selbstverständlich und bedarf des besten Sachverstands und des Willens auf demokratische Kompromisse, dass sich zwei Partner – also das Ministerium und die LAG – in solch kurzer Zeit auf einen gemeinsamen Vorschlag für den Gesetzgeber einigen.

Meine Fraktion nimmt zur Kenntnis, dass die von uns übernommenen und vom Ministerium vorgeschlagenen 217 Millionen Euro nahezu punktgenau dem Vorschlag des Evaluationsberichts des TMBJS mit Ergänzung des Schulbudgets entsprechen. Dies wäre dann eine Steigerung um 12,4 Prozent. Mit diesem Vorschlag, den wir so in die Anlage 1 übernommen haben, werden die 2015 nicht absehbaren Tarif- und Besoldungsentwicklungen nachgeholt.

 

Jetzt möchte ich – ich wollte eigentlich nicht auf einzelne Gesetzesvorschläge eingehen –, aber auch noch einmal auf den Vorschlag 3 Prozent kommen, weil das sowohl von der selbst ernannten Alternative kam als auch vom Kollegen Tischner – mit einer völlig anderen Begründung, aber das sei jetzt dahingestellt. Wenn man mal diese 3 Prozent zugrunde legt und die Tarifentwicklung im Jahr 2017 mit einem entsprechenden Inflationsausgleich, kommen wir oder komme ich in der Berechnung für 2017 auf die 1,9 Prozent. 2020 haben wir eine Tarifentwicklung von 3,12 Prozent. Das wieder zugrunde gelegt wären das 2,73 Prozent, die dem entsprechen würden. Also 3 Prozent sind immer darüber, deswegen ist 3 Prozent eine völlig willkürliche Zahl.

 

Wir machen einen anderen Vorschlag. Die damit verbundene deutlich verbesserte Finanzausstattung der freien Schulen soll, dies ist der Vorschlag von uns, besonders in die tarifgerechte Bezahlung der Lehrkräfte münden, die Elternbeiträge dabei aber auch stabil halten und damit die Wahl einer Schule – und das ist uns als Linke auch besonders wichtig – nicht an den Geldbeutel der Eltern hängen.

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, wie Sie mit Blick auf unser Gesetz festgestellt haben, wollen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen die Entfristung und eine neue Dynamisierungsklausel. Warum planen wir das? Wenn Sie sich mit den Trägern von freien Schulen unterhalten, häufig sind dies eben auch kleine Träger bis hin zu Elterninitiativen, dann hört man nicht selten: Wichtiger als eine oder die absolute Zahl im Gesetz ist uns Planungssicherheit. Wir wollen und brauchen die Möglichkeit, Tarife für unsere Lehrkräfte, aber auch Elternbeiträge über eine längere Zeit, über einige Jahre festschreiben zu können als Träger.

 

Natürlich geben wir dem zukünftigen Gesetzgeber, also dem zukünftigen Landtag hier etwas vor, aber er ist immer frei, es zu ändern. Er ist auch frei, ein neues Modell zu entwickeln, jede zukünftige Landesregierung kann das. Aber so, wie es für meine Fraktion selbstverständlich ist, dass es eben im staatlichen Bereich zu einer zeit- und inhaltsgleichen Übernahme des Tarifergebnisses im TV-L auch für die Beamten kommt, so ist es für uns ganz selbstverständlich, dass Lehrkräfte an freien Schulen auch an der Entwicklung im TV-L teilhaben. Deswegen haben wir das aufgenommen, Kollegin Baum. Und zweitens, dass sich dies eben auch in der Dynamisierungsformel wiederfindet. Gute pädagogische Arbeit und tarifliche Entlohnung sind für Die Linke zwei Seiten derselben Medaille. Deswegen wollen wir, dass sich die Dynamisierung zu 80 Prozent an der durchschnittlichen Tarifentwicklung der letzten drei Jahre orientiert – und das ab 2022 – und zu 20 Prozent an der entsprechenden Preisentwicklung.

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, es freut mich, dass die LAG freie Schulen den Gesetzesvorschlag von uns begrüßt. Wie Sie entnehmen können, legen heute alle demokratischen Fraktionen Gesetzesvorschläge vor. Diese Fraktionen, die heute etwas vorgelegt haben, und zwar ausnahmslos, machen damit deutlich, dass ihnen die Zukunft der freien Schulen ein wichtiges Anliegen ist. Ein Gesetzesvorschlag der Fraktion der AfD mit der entsprechenden Begründung, wie wir vorhin gehört haben, liegt hier nicht vor. Diese Fraktion hat offensichtlich kein Konzept für freie Schulen, ebenso wenig wie sie ein Konzept für die Zukunft von Thüringen hat.

Ich freue mich auf die Diskussion im Bildungsausschuss zu den eingebrachten Gesetzesvorschlägen und sage es ausdrücklich, ich bin optimistisch – ich habe das auch beim Kollegen Tischner gehört –, dass es uns Demokraten gelingt, einen Kompromiss zu den tatsächlich nicht so weit auseinanderliegenden Vorschlägen zu finden, und bedanke mich jetzt schon bei denjenigen, die am kurzen Anhörungsverfahren teilnehmen.

Für meine Fraktion beantrage ich die Überweisung unseres Gesetzesvorschlags von Linke und Bündnis 90/Die Grünen an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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